Das BVerfG Urteil zum PSPP setzt Grenzen

Viele Reaktionen auf das bemerkenswerte Urteil des BVerfG sind bedrückend und geeignet, das Ansehen des BVerfG zu beschädigen.

Ich kann mich nicht erinnern, je so viel Wut, Polemik und herabsetzende Kommentare zu einem BVerfG Urteil in den Medien gelesen zu haben

Ich erwarte dringend mehr Respekt vor der sehr eindeutigen Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts mit 7:1 Richterstimmen.

Was hat das BVerfG im Kern entschieden?

Antwort: Eine weitreichende Klärung der Kompetenzabgrenzung des EuGH und der EZB.

Das BVerfG hat dankenswerterweise und gegen extremen politischen Druck in einer akribischen Ausarbeitung mit bemerkenswerter Klarheit herausgearbeitet, dass sich die EZB in einer Selbstermächtigung Rechte angemaßt hat, die sie nie in europäischen Verträgen übertragen bekommen hat. (im Urteil: „Kompetenz-Kompetenz“)

Und das BVerfG hat sehr nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dieser Kompetenzanmaßung durch die EZB um einen Verstoß gegen die unveränderlichen Bestandteile unseres Grundgesetzes handelt. („Ewigkeitsrecht“)

Das letzte Urteil des EuGH wird vom BVerfG präzise analysiert und das zwingende, vernichtende Ergebnis fasst das BVerfG in zwei Worten zusammen: Das Urteil des EuGH sei „objektiv willkürlich“. Das „EuGH überschreitet sein Mandat.“ weil es über Rechte urteilt, die nie übertragen worden sind und damit nicht Bestandteil der europäischen Gerichtsbarkeit sein können. Es handelt sich um eine „faktisch mit dem Grundgesetz unvereinbare Kompetenzübertragung“ an die EZB durch das EuGH.

Das BVerfG hat der EZB zugestanden, diesen verfassungswidrigen Zustand zu heilen, indem sie die Verhältnismäßigkeit der Auswirkungen des PSPP auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik schlüssig darlegt UND eine Strategie zu langfristigen Rückführung der Staatsanleihen-Bestände beschließt.

Bemerkenswert ist auch die Stellungnahme des Verfassungsrichters Peter M. Huber (Interview FPM, 13. Mai 2020):

„Die Europäische Kommission sollte zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland und die meisten anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gar nicht hätten beitreten dürfen, wenn es den vom EuGH angenommenen schrankenlosen Anwendungsvorrang des Europarechts vor dem Grundgesetz gäbe“

Ausblick und zukünftige Wirkungen:

Ein Vertragsverletzungsverfahren würde in der Sache wirkungslos bleiben und würde im Ergebnis keinesfalls dazu führen, dass die Bundesbank ihre Anleihekäufe wieder aufnehmen dürfte.

Die Bundesregierung wird keinen offenen Verfassungsbruch begehen. Ich gehe fest davon aus, dass die geforderte schlüssige Darlegung der Verhältnismäßigkeit erfolgen wird.

Verbotene Staatsfinanzierung?

DAS BVerfG hat in seinem Urteil eingehend alle Kriterien diskutiert, die gegen eine Wertung als verbotene Staatsfinanzierung durch die EZB sprechen. Am Ende verblieben nur 2 einschlägige Kriterien, die das PSPP vor einer Einordnung als verbotene Staatsfinanzierung schützen.

Das neue PEPP steht nach diesem BVerfG Urteil am Rande der Verfassungswidrigkeit. Die zwei vom BVerfG in seinem Urteil als unverzichtbar erachteten Kriterien werden im PSPP voraussichtlich nicht eingehalten. (33% maximaler Anteil der EZB an einer ISIN und Kaufvolumen der Staatsanleihen im Verhältnis der Kapitalanteile an der EZB).

Klagen sind bereits angekündigt. Möglicherweise hätte aufgrund der Ausführungen im aktuellen Urteil sogar eine einstweilige Verfügung Erfolg.

Detlef de Raad

Glossar:

EZB =                    Europäische Zentralbank

EuGH =                                Europäischer Gerichtshof

BVerfG =             Bundesverfassungsgericht

PSPP =                 Public Sector Purchase Programme

PEPP =                 Pandemic Emergency Purchase Programme

ISIN =                   International Securities Identification Number eines Wertpapiers

Ultra viris =         In Überschreitung seiner Kompetenzen

Kompetenz-Kompetenz = Das Recht Zuständigkeiten zuzuweisen und zu verändern

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